In Karl-Marx-Stadt blühen im Rosenhof
„5.000 Rosen und mehr, weithergebracht aus Leningrad, Lidice, Auschwitz und Oradour, Rosenstöcke, von Blut und Tränen genetzt. Aber auch Rosen der Freundschaft und der Liebe aus den Partnerstädten Irkutsk, Tampere und Mulhouse.“ 1
Gesetzt von Jungpionieren.
Mit den Blumen ist es wie mit der Kunst am Bau, schreiben die Planer:innen in der Fachzeitschrift Deutsche Architektur im Jahr 1966:
„Allgemein sind wir bemüht, den Aufwand für die formale Gestaltung so knapp wie möglich zu halten. Unter diesen Voraussetzungen wird offenbar, wie notwendig es ist, die bildende Kunst einzubeziehen. Andernfalls wäre zu befürchten, dass unsere Bauwerke oder unsere Straßenräume zu einer kalten Abstraktion funktioneller und technischer Beziehungen werden, der die menschliche Resonanz versagt bliebe. […] Im gleichen Sinne werten wir die gärtnerischen Gestaltungsmittel.“ 2
Das künstlerisch-gärtnerische Prinzip Karl-Marx-Stadts ging zur Stärkung der Intention bis zur Nachbildung der Blume als Plastik im öffentlichen Raum. Sie sind schön und ewig. Heute stehen sie im Abseits, überwuchert, eingewachsen, verdeckt, vergessen. Der Blume als reines Accessoire blieb offenbar die menschliche Resonanz versagt.
Die Planer:innen von Chemnitz schreiben im Jahr 2009:
„Im Rahmen des Stadtumbaus kommt dem Stadtgrün eine Schlüsselposition zu. Es kann wesentlich zur Aufwertung der Quartiere beitragen. Für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune ist es notwendig, die Erhaltung des Stadtgrüns nachhaltig sicher zu stellen. Dazu ist eine klare und objektkonkrete Position zu den angestrebten Pflegeniveaus und den gleichzeitig abzusichernden gesetzlichen Pflichten darzustellen und ökonomisch zu untersetzen. […] Als „weicher Standortfaktor“ hat das Stadtgrün erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität einer Stadt und wirkt damit mittelbar auch auf die Wirtschaftskraft einer Kommune ein.“ 3
In Chemnitz blühen Dahlien, Flieder, Disteln, Hortensien, Schmucklilien, Rhododendren, Riesen-Lauch, Rainfarn, Stauden-Phlox und Sonnenhut, einst weithergebracht aus Mexiko und Mittelamerika, Südosteuropa, Kleinasien und Vorderindien, China und Japan, dem Himalaya, Asien, Südamerika, Afghanistan, Iran, Tadschikistan, Nordamerika, Europa und aus den USA.
Gepflanzt von den Gärtner:innen der Stadt.
Sie sind schön und wiegen sich im Wind.
Ohne sie wäre zu befürchten, dass das Stadtbild seine kalte Abstraktion politischer, funktioneller und ökonomischer Bestrebungen offenbart, in dem die menschliche Resonanz fehlt.
1 Opitz, Hellmut und Heinz Wille, Hermann: Karl-Marx-Stadt. Leipzig, 1974, S. 7.
2 Die Atmosphäre der Stadt, in: Deutsche Architektur, 1966, S. 202.
3 Stadtrat Chemnitz, Anlage 3 zur Vorlage B-178/2009, Konzeption zur nachhaltigen Pflege und Entwicklung des Stadtgrüns von Chemnitz (Pflege- und Entwicklungskonzeption Stadtgrün), 16.12.2009, SR/12/2009, S. 2.
#Blumen für Karl-Marx-Stadt
Verena Pfeiffer-Kloss
Videoarbeiten und Text, 2025



