Die Charaktere im Audiowalk Bronze und Beton sind frei erfunden. Sie sind inspiriert von den Skulpturen und Plastiken in der Chemnitzer Innenstadt. Die Erzählungen zur Stadtgeschichte, Gebäuden, Bildhauern und Architekten, die in den Biografien der Figuren aufscheinen, sind dagegen real und wurden gewissenhaft recherchiert. Die Hintergrunde zu diesen Geschichten und Andeutungen sowie die genutzten Quellen zum Hörspiel finden Sie auf dieser Seite.

Station 2: Jugendbrunnen

Jugendbrunnen, Bildhauer: Johann Belz (1925–1976), 1965, im gleichen Jahr an der Straße der Nationen aufgestellt
Jugendbrunnen, Johann Belz (1925–1976), Bronzeskulptur, 1965.

Der Jugendbrunnen, auch Jugend unter dem Regenschirm des Bildhauers Johann Belz (1925–1976) wurde im Jahr 1965 zum Schmuck der Straße der Nationen für das 800. Stadtjubiläum aufgestellt. Wie bereits beim Schwimmer erwähnt, erzählt auch die Jugendliche die Geschichte, dass der Jugendbrunnen einigen Chemnitzer:innen zu frei, die dargestellten Jugendlichen zu wenig am damaligen Idealbild der Jugend im Sozialismus, stattdessen an einer legeren Freizeitgestaltung orientiert erschienen. Tatsächlich war es um 1965 selten, dass jemand ein Kofferradio hatte und die von Johann Belz mit diesem Brunnen dargestellten Jugendlichen waren für ihre Zeit außerordentlich modisch und beinahe westlich (Jeans, Sonnenbrille, Transistorradio) ausgestattet. Leserbriefe in der Freien Presse vom 15.5.1965 zeigen diese Ansichten in der Bewohner:innenschaft.

Die Geschichte, dass Walter Ulbricht der Brunnen gefallen habe und er ihn mit Worten wie „Das ist aber was Hübsches“ bedacht haben soll, fand sich in der Freien Presse vom 3./4. März 2001. Dort wird die Witwe von Johann Belz, Sonja Belz, mit dieser Erzählung zitiert. Ihr allerdings wurde die Anekdote auch nur weitergegeben, sie selbst war nicht dabei. Es ist nicht bekannt, ob Johann Belz konkrete Jugendliche als Modelle für diesen Brunnen hatte. Mehr zu Johann Belz unter Station 3: Lobgedichte.

Das Finale der DDR-Meisterschaft der Junioren im Fußball der Herren – Karl-Marx-Stadt gegen FC Aufbau Magdeburg am 17. Juli 1965 – fand tatsächlich statt, wie von der Jugendlichen berichtet. Jürgen Sparwasser (*1948) erzielte einige Jahre später, bei der Fußball-WM 1974, das Siegestor im einzigen jemals stattgefundenen Spiel der Nationalmannschaft der DDR gegen die Nationalmannschaft der Bundesrepublik Deutschland.

Station 4: Das Monument

Karl-Marx-Monument, Lew Kerbel (1917–2003), Bronzeskulptur, 1971 eingeweiht.

Die Umstände um den Entwurf des Karl-Marx-Monuments, von denen Die Sitzende im Audiowalk berichtet, sind in einem Interview mit dem damaligen Stadtbaudirektor von Karl-Marx-Stadt, Karl Joachim Beuchel, detailliert nachzulesen. Karl Joachim Beuchel hat Lew Kerbel mehrfach in seinem Moskauer Atelier besucht und die Entwürfe mit ihm besprochen. Dabei soll der Bildhauer geäußert haben, dass ihm der Entwurf auch ungewöhnlich erscheine. Später hat er ihn aber, so heißt es, als einen seiner besten bezeichnet. Tatsächlich fiel der Beschluss, Lew Kerbel zu beauftragen und die lokalen Bildhauer:innen nicht einzubeziehen, auf hoher Parteiebene. Interessant ist an dieser Stelle, dass sich dies zehn Jahre später in Berlin bei der Planung der Bronzeskulptur „Ernst Thälmann“ am gleichnamigen Park in Prenzlauer Berg wiederholte, was dort in den frühen 1980er Jahren allerdings zu wesentlich größerem und laut geäußerten Unmut führte.

Der Schwimmer und Die Sitzende erzählen beide davon, dass am 4. Oktober 1974 die Stadthalle Chemnitz mit dem großen Fernsehprogramm „Rosen für Karl-Max-Stadt“ eröffnete, bei dem hunderte Stoffrosen auf das Publikum herabregneten. Die Neubebauung dieses Zentrales Ortes in der Innenstadt, gegenüber des bereits am 9. Oktober 1971 enthüllten Karl-Marx-Monuments vor dem Haus der Staatsorgane war städtebaulich von zentraler Bedeutung. Die dahinter liegenden Flächen in Richtung des Roten Turmes blieben bis in die 1990er Jahre noch weitestgehend Brachland.

Die Erzählungen zum „Pablo Neruda Klub der Intelligenz“ in der Stadthalle sowie zum dortigen Programm architekturbezogener Kunst sind verschiedenen Publikationen entnommen, darunter insbesondere dem Artikel „Plastiken, Fayencen, Gobelins. Kunstwerke im Klub der Intelligenz Pablo Neruda“ von Christa Reuschel in der Zeitschrift Podium, Heft 5, 1974, S. 14–15 sowie dem Internetauftritt des Deutschen Historischen Museums. Die im Text erwähnte „Galerie Oben“ war ein Ort der alternativen Kunstszene, die sich in Chemnitz in den 1970er Jahren verstärkt herausbildete. Die Kunstsammlungen Chemnitz widmeten ihr und der Künstlergruppe „Clara Mosch“ im Frühjahr 2025 eine Ausstellung.

Über das studentische Leben in Karl-Marx-Stadt berichtet die bereits erwähnte Publikation von Thomas Laux und Ulf Bohmann: „Kulturhauptstadt Chemnitz. Sozialräumliche Erkundungen“ (transcript, 2024).

Heinrich Brenner: Paar, 1935, Ende des Zweiten Weltkriegs als „Metallspende“ eingeschmolzen (vgl. u.a. grit: „Plastik vom Sockel gestoßen“, in: Freie Presse, 12. September 2006)
Paar, Heinrich Brenner (1883–1960), Bronzeskulptur, 1935. Hier zu sehen auf einer Postkarte von 1935.

Station 6: Brühl-Boulevard

Die Fußgängerzone Brühl-Boulevard war, wie im Hörspiel berichtet, in den 1980er Jahren ein beliebter Treffpunkt der Karl-Marx-Städter:innen, da dort vielfältige kulturelle Nutzungen und Einkaufsmöglichkeiten zu finden waren. Sanierung von Altbausubstanz – in der Fachsprache der DDR-Stadtplanung wurde der Begriff „Rekonstruktion“ verwendet – wurde in den 1980er Jahren zu einem zunehmend wichtigen Bestandteil der Stadtentwicklung in der gesamten DDR. Die Planung schloss sich damit dem internationalen Trend an, die historische Bausubstanz gegenüber dem Großsiedlungsbau aufzuwerten und reagierte damit zugleich auf den Unmut der Bevölkerung hinsichtlich des fortschreitenden Verfalls der historischen Innenstädte und Bausubstanz. Die Informationen zur Sanierungsgeschichte des Chemnitzer Brühls stammen unter anderem aus folgenden Quellen: Urbanes Chemnitz, Moderne Regional.

Die genannten Daten und weitere Informationen zu den Plastiken auf dem Brühl sind u.a. zu finden in diesen Artikeln: Magdalena George: „Wilfried Fitzenreiter“, in: Bildende Kunst, Heft 10, 1981; Dr. Joachim Wetzel: „Johannes Schulze, Schöpfer der Figuren des neuen Glockenspiels“, in: Chemnitzer Roland, Heft 3, 2002, S. 10–12.

Die Liegende, Johannes Schulze (*1939), Betonskulptur, 1979, aufgestellt 1980.

Stationen 8: Georgbrücke mit Blick zum Neumühlenwehr

Im April 1990 machten Aktivist:innen am Neumühlenwehr auf die starke Verschmutzung des Flusses Chemnitz aufmerksam, die Folge ungefilterter Abwässer der Industrie und Wohnhäuser war. Darüber sowie über die damalige und aktuelle Belastung des Wassers berichtete beispielsweise retrospektiv die Freie Presse am 19. Juni 2024. Im Rahmen des Kunstfestivals Begehungen wurde im Jahr 2024 mit einem re-enactment an die Umweltproteste von 1990 erinnert.

Am 1. Juni 1990 wurde die Stadt nach einem Votum der Bürger:innen wieder in Chemnitz umbenannt. 76% der Teilnehmenden haben für die Rückbenennung gestimmt.

Rosenrabatte mit Betonsockel, von 1999 bis zu einem unbekannten Datum und mit Unterbrechungen Standort der Bronzeskulptur „Die Sitzende“, von Wilfried Fitzenreiter (1932–2008), 1970/72.
Die Sitzende, Wilfried Fitzenreiter (1932–2008), 1970/72, Bronzeabguss, aufgestellt 1974 im Klub der Intelligenz Pablo Neruda, Chemnitz.

#Bronze und Beton. Backstage

Verena Pfeiffer Kloss

Grundsätzliche Quellen
Richter, Nancy und Peggy Hartmann: Skulpturen und Plastiken in der Chemnitzer Innenstadt, unveröffentlichtes Buch und lose Blattsammlung, Chemnitz, 2008 sowie dies.: Online-Wiki.

Gespräche mit Chemnitzer:innen und Wissenschaftler:innen.