Von Ronny Szillo
Ich bin 1978 in Chemnitz, damals Karl-Marx-Stadt geboren. Ab 2000 habe ich an der HGB in Leipzig Medienkunst studiert, zuletzt von 2010 bis 2012 als Meisterschüler. In meiner Kunst setze ich mich seit dieser Zeit immer wieder mit meiner Sozialisation im Chemnitz der 90er Jahre, speziell im Fritz-Heckert-Gebiet, auseinander.
LUKE93, meine Arbeit für Chemnitz Ostmodern, nimmt fragmentarische Erinnerungen an zwei Unterführungen auf, die zu DDR-Zeiten in der Sagorskistraße im Heckert-Gebiet gebaut wurden, und die in den unmittelbaren Nachwendejahren zu prägenden Erfahrungsräumen der linken Subkultur werden sollten.

Die Tunnel kenne ich seit Anfang der 90er Jahre, wo sie als Treffpunkt für die Chemnitzer Graffiti Szene fungierten. Als selbst interessierter und aktiver Sprüher habe ich dort viel Zeit meiner Jungend verbracht und mich mit Gleichgesinnten getroffen. Diese Zeit war der Anfang meiner Auseinandersetzung mit künstlerischen Prinzipien und hat einen Möglichkeitsraum aufgemacht, um später in die Kunst zu gehen.

In erster Linie ging es darum, Leute kennenzulernen, die ähnliche Interessen hatten und ein Netzwerk aufzubauen. Auf der anderen Seite war der Treffpunkt wichtig für die eher linksgesinnten Jugendlichen als Ort, wo eine kritische Maße erreicht werden konnte, auch, um sich vor Nazis zu schützen, die in der Zeit dort unterwegs waren und körperliche Auseinandersetzungen gesucht haben. Allein durch die Menge an Menschen wurden wir zu einer wehrhaften Gruppe, die zu großen Teilen in Ruhe gelassen wurde.

Die Tunnel waren in der Mitte zwischen einem von meiner Schule genutzten Schwimmbad und meinem Wohnort und boten daher auch einen Schutzraum vor den Nazis, die uns auf den Wegen verfolgten.

In meiner Arbeit LUKE93 möchte ich fragmentarisch diese Zeit zurückholen, um selber den Ort für mich noch einmal erfahrbar, aber auch für andere zugänglich zu machen und zu konservieren. Mit Hilfe von 3D-Scan habe ich Teile der Unterführungen an für mich interessanten Stellen dokumentiert, an denen noch Teile alter Graffitis zu sehen sind und in die neue Form der digitalen Skulptur überführt. In den Graffitis zeigen sich Menschen, mit denen ich damals zu tun hatte, mit denen ich immer noch verbunden bin und manche, die nicht mehr unter uns sind, aber deren Erinnerung noch in den Tunneln steckt, RiP, Matthias Müller.
Mir geht es nicht um eine dokumentarische Rekonstruktion im klassischen Sinne, sondern um ein künstlerisches Erinnern. Ich arbeite bewusst mit einfacher, frei zugänglicher Software, die zu visuellen Fehlern und Glitches führt. Diese Unschärfen und digitalen Brüche unterlaufen den dokumentarischen Anspruch und machen die Scans zu Skulpturen im digitalen Raum.
#LUKE93
Ronny Szillo
Digitale Skulptur, 2025
Fotografie, Videoarbeiten, Text



